Iran bittersüß

Zunächst einmal vielen Dank für die tolle Unterstützung unserer Spendenaktion! Auch wenn unser Ziel Nepal immer näher rückt, geht die Aktion weiter.

Am 20.Oktober, pünktlich zu Lindas Geburtstag, sind wir in den Iran gereist. Der Iran ist kein Land, das man so locker bereist. Das wurde uns schon klar, als wir einige Wochen zuvor das Visum beantragten und es in Tiflis auf der Botschaft abholen mussten.
Einige Tage vor unserer Einreise mussten wir nochmal shoppen gehen. Im Iran gibt es gesetzliche Kleidungsvorschriften für Frauen. Linda muss ein Kopftuch tragen, Arme und Beine müssen komplett bedeckt sein. Auch für Männer ist eine lange Hose angebracht. Diese Vorschriften nerven auch viele Einheimische.
Der Iran ist aufgrund von Wirtschaftssanktionen vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Das macht es für uns quasi unmöglich, im Iran Geld abzuheben. Unsere Kreditkarten sind unbrauchbar. Das heißt, wir müssen mehrere Hundert Euro und Dollar Bargeld mitnehmen.
Die Sanktionen haben den Iran in eine Wirtschaftskrise gestürzt. Das bekommt die Bevölkerung durch eine enorme Inflation zu spüren.
Bezahlen ist eine echte Herausforderung.
Es gibt zwei Wechselkurse. Der inoffizielle (real gehandelte) Wechselkurs ist dreimal höher als der Offizielle. Deshalb sollte man sein Geld auf dem Basar oder in kleinen Stuben wechseln, nicht auf der Bank. Die Währung auf den Scheinen ist Rial, die Preise werden aber normalerweise in Toman (10-mal kleiner) angegeben. Da der Wert eines Toman immernoch relativ gering ist (1€ entspricht 1200 Toman), werden umgangssprachlich oft die letzten drei Nullen nicht genannt. Im Grunde ist uns das alles egal, weil wir persische Zahlen sowieso nicht lesen können.
Auch kulturell gibt es große Unterschiede. Da gibt es zum Beispiel Taarof: Erst, wenn einem etwas zum dritten Mal angeboten wird, ist das Angebot ernst gemeint. Es wäre also sehr unhöflich von uns, wenn wir uns einladen lassen würden, ohne vorher zweimal verneint zu haben.
Gut vorbereitet aber auch ziemlich aufgeregt sind wir in das Land eingereist, in dem wir die nächsten vier Wochen verbringen werden.

Das Wetter ist zu Beginn nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Es regnet in Strömen und soll die nächsten Tage auch so bleiben. Außerdem ist der Norden sehr dich besiedelt und wir fahren ausschließlich über stark befahrene Straßen. Deshalb steigen wir nach drei Tagen in den Bus und lassen uns von Rascht nach Qazvin mitnehmen.

Ab Qazvin ändern sich Straßen und Wetter. Es ist sonnig, der Verkehr nimmt ab und die Ortschaften sind weiter auseinander.
Einige Tage später erreichen wie Ghom, eine der wichtigsten Städte des Islam. Es gibt viele schöne und große Moscheen, alles dreht sich um den Glauben. Es kommen Pilger aus aller Welt und die Atmosphäre ist wirklich beeindruckend.
Im Anschluss fahren wir nach Kashan und besuchen die Moscheen und den Basar. Danach wird die Landschaft noch weitläufiger und wir sind in dem Iran angekommen, wie wir ihn uns vorgestellt haben.
Wir erleben ein großes Highlight unserer Reise:  wir radeln mehrere Tage ohne Zugang zu Wasser und Essen durch die Wüstenlandschaft und übernachten in einer ehemaligen Karawanserei. In diesem Ort haben vor Hunderten von Jahren Händler der Seidenstraße und deren Kamele übernachtet.

Ansonsten ist unser Zelt im Iran eigentlich überflüssig. Wir machen viele nette Bekanntschaften über Warmshowers und werden meistens sogar auf der Straße angesprochen und eingeladen. Und das, obwohl wir oft nicht mal dieselbe Sprache sprechen. Wir bekommen beinahe täglich von fremden Menschen mehr Obst geschenkt, als wir essen können.
Die Menschen sind unglaublich gastfreundlich. Wenn wir eine Einladung zur Übernachtung annehmen, dann werden wir regelrecht adoptiert. Meistens werden wir bekocht und probieren die persische Küche. Die Unmengen an Essen nehmen wir dann alle zusammen auf dem Teppich zu uns.
Nicht nur einmal haben sich Fremde darum gestritten, bei wem wir nun übernachten dürfen. Einmal konnten wir nicht ins Hotel, da es ausgebucht war. Daraufhin hat uns der Hotelbesitzer ganz selbstverständlich zu sich nach Hause eingeladen und wir konnten im Kinderzimmer übernachten. Es gab leckeres Abendessen und Frühstück. Als Proviant wurde uns ein Kuchen gebacken. Bezahlen durften wir selbstverständlich nicht (wir haben mehr als 3x gefragt).
Wir wollen eigentlich direkt nach dem Aufstellen losfahren. Meistens radeln wir trotzdem erst gegen Mittag los, weil die Menschen so herzlich sind und uns nicht gehen lassen.
Es ist sehr unfair, welche Vorurteile man Zuhause gegen dieses Land vermittelt bekommt. Im Iran haben wir eindeutig die freundlichsten Menschen unserer ganzen Reise kennengelernt.

Doch einige Tage vor unserer Abreise haben wir auch noch die andere Seite des Landes kennengelernt. Wir bekommen die Nachricht, dass ein Bekannter von uns plötzlich im iranischen Gefängnis gelandet ist, weil er eine Landschaft gefilmt hat, auf der sich eine Militärstation befindet.
Unsere letzten Tage im Iran verbringen wir in Schiraz. Wir wundern uns über die Polizeipräsenz in der ganzen Stadt. Ein Iraner erzählt uns, dass die von der Regierung kontrollierten Benzinpreise über Nacht auf das Dreifache gestiegen sind. Daraufhin gibt es schwere Proteste im ganzen Land. Als wir in einem Fahrradladen Kartons für den Flug abholen, geraten wir fast zwischen die Fronten. Wir nehmen einige Umwege, um die Krawalle zu meiden. Das Internet wird im ganzen Land abgeschaltet und der Verkehr ist quasi lahmgelegt. In allen Richtungen sieht man Rauchschwaden in den Himmel ziehen. Wir sind froh, als wir endlich wieder im Hotel sind.

Zum Glück haben wir unsere Tickets im Voraus gebucht und fliegen am darauffolgenden Tag in den Oman. Wir sind erleichtert, dass wir problemlos ausreisen können.
Das Internet war wohl noch einige Tage gesperrt und die Proteste sind eskaliert. Die Zahl der Todesopfer ist dreistellig!

Dennoch ist die Zeit im Iran unser bisheriges Highlight der Reise. Die einmalige Landschaft und die unglaubliche Gastfreundlichkeit werden wir nie vergessen.

Von Schiraz fliegen wir in den Oman, wo wir nur eine knappe Woche verbringen, bevor wir dann weiter nach Indien fliegen.
Der Oman ist ein ziemlicher Kontrast zum Iran. Schon am Flughafen ist alles geregelt und organisiert. Auch der Verkehr ist ganz anders als im Iran und die Menschen sind sehr entspannt.
Der Oman ist sehr weitläufig, deshalb lassen wir die Räder im Karton und mieten uns ein Auto. Unerwarteterweise ist der Oman ziemlich bergig und wir sind froh, dass wir ein Auto haben. So können wir viele Ausflüge in die pflanzenreichen Wadis machen. Camping ist ebenfalls viel leichter, wenn man mit dem Auto unterwegs ist und wir finden die perfekten Zeltplätze.
Die Gastfreundschaft lässt nicht nach. Eines Abends entdeckt uns ein Omaner und hat Mitleid, weil wir bei ca. 20° draußen übernachten müssen. Als wir ihm klarmachen, dass wir härtere Winter gewöhnt sind, fährt er weiter. Kurz darauf kommt er mit seiner ganzen Familie vorbei, bringt uns Tee und wir machen Picknick. Am nächsten Morgen bringt er uns Frühstück ans Zelt. Danach besichtigen wir seine Kamele und er schenkt uns einen Lebensvorrat Datteln.

Der kurze Urlaub im Oman tut uns gut. Aber wir freuen uns auch schon auf unser nächstes großes Abenteuer unserer Reise: Indien.

Ghom
Kaschan
Abyaneh
Isfahan
Karawanserei
Yazd
Weg nach Schiraz – mit Schneekettenpflicht
Schiraz
Iranische Gastfreundschaft
Unsere Räder sind sicher verstaut