Der wilde Kaukasus und unsere erste Supra

Nach einigen Tagen Zwangspause fahren wir weiter Richtung großem Kaukasus. Viele Höhenmeter später kommen wir im ehemaligen Bergdorf Mestia an. Der auf 1500 Höhenmetern gelegene Ort ist ein beliebtes Ziel für Backpacker und Wanderer, da man von dort gut seine Touren starten kann. Mit den vielen Hotels, Restaurants und einem Flughafen ist Mestia längst kein Dorf mehr. Aber auch wir genießen unsere Unterkunft, bevor es dann für mehrere Tage in abgelegenere Regionen Swanetiens geht. Wir treffen uns mit zwei Freunden aus der Heimat, gehen zusammen wandern und genießen den ein oder anderen georgischen Wein. Beim Wandern haben wir einen ersten Ausblick auf den großen Kaukasus mit seinen schneebedeckten Bergen.

Von Mestia radeln wir auf das vermeintlich höchste Dorf in Europa: Uschguli. Der Ort liegt auf 2200m und die Abgeschiedenheit merkt man sofort. In unserem Zimmer sind es 12 Grad, es gibt keine Heizung und ständig fällt der Strom aus.
Starker Regen zwingt uns zu einem weiteren Pausentag, bevor es dann richtig losgeht: Into the Wild.
Von Uschguli radeln wir über den Zagari-Pass. Wir sind bereits auf 2700m Höhe, unser Blick geht trotzdem weiter nach oben zu den höchsten Bergen Georgiens, die sich über 4000m in den Himmel strecken und die Grenze zu Russland bilden.
Dieser Straße werden wir nun zwei Tage folgen. Die Navigation ist Recht einfach – es gibt keine andere Straße. Im Grunde kann man diese Schotterpiste nicht mal Straße nennen. Obwohl es bergab geht, fahren wir meistens Schritttempo und müssen oft schieben. Bei Regen ist dieser Weg unpassierbar. Mit dem Höhenunterschied kommt auch der Temperaturunterschied. Nachts zelten wir bei knapp über 0° und tagsüber haben wir über 30°. Was für ein Abenteuer… Nach drei Tagen sind wir wieder in der Zivilisation.

Nachdem wir mehrere Tage gezeltet haben, gönnen wir uns in Nikorzminda ein Guesthouse. Obwohl die Gastgeber eigentlich kein freies Zimmer hatten, können wir bei ihnen Übernachten. Nach dem Motto „es sagt schon noch jemand ab“.
Ein bisschen genervt sitzen wir in ihrem Wohnzimmer und versuchen, uns zu unterhalten. Sie sprechen weder Englisch noch Deutsch und wir weder Russisch noch Georgisch. Die Gastgeberin bereitet Essen zu und wir setzen uns mit an den Tisch, lehnen aber Essen und Trinken ab.
Es kommen mehr Gäste und dann verstehen wir, was gerade passiert: wir sind in einer Supra gelandet. Von diesem Brauch haben wir schon gehört, hätten aber nie gedacht, ein Teil davon zu sein.

Eine Supra ist ein Besäufnis nach strikten Regeln.
Alle Teilnehmer sitzen an einem Tisch und in der Mitte steht übermäßig viel Essen und Wein. Der Gastgeber ernennt einen Zeremoniemeister, den sogenannten Tamada. Wir bekommen unser Glas mit Wein vollgeschenkt und warten auf weitere Instruktionen. Ohne Erlaubnis darf nicht getrunken werden. Der Tamada sagt einen Trinkspruch auf und trinkt danach sein Glas fast leer. Danach schließen sich alle Teilnehmer an. Jeder muss nacheinander einen Trinkspruch aufsagen und das Glas fast leer trinken. Das Thema muss an den vorgegebenen Trinkspruch anschließen, der spontan gedichtet wird. Man stößt auf alles an: auf Freunde, den Gastgeber, Eltern, Verstorbene, den Weltfrieden, das Dorf, das Haus…
Muss man frühzeitig den Tisch verlassen, beispielsweise weil man terminlich gebunden ist oder weil einem die Unmengen Wein zugesetzt haben, muss man das respektvoll beim Tamada anmelden. Wir bleiben standhaft und bleiben bis zum letzten Trinkspruch, dem „Daschla Armaschla“. Nach diesem Spruch muss man sein Glas komplett austrinken und die Feier ist vorbei.
Im Anschluss teilt uns Gastgeberin erfreut mit, dass wirklich ein Zimmer frei geworden ist. Nach dem ereignisreichen Tag sind wir ziemlich Müde und fallen ins Bett, obwohl es noch hell ist.


Die Supra ist eine sehr interessante Erfahrung. Weintrinken hat in Georgien eine viel größere Bedeutung als sinnloses Besaufen. Die Stimmung bei einer Supra schwankt zwischen lustigen aber auch traurigen und vor allem denkwürdigen Trinksprüchen. Weinanbau hat hier seit über 7000 Jahren Tradition und der Weingenuss ist für Georgier sehr wichtig. Oft sieht man sogar auf Friedhöfen Weingläser stehen, sodass enge Angehörige ein Gläschen Wein in Gesellschaft des Verstorbenen trinken können.


Unsere Tour geht weiter in den kleinen Kaukasus. Der klingt ziemlich harmlos, hat es aber ebenso in sich. Wir fahren zum Parawani-See, dem größten See Georgiens. Dort Zelten wir auf über 2000m und erleben einen grandiosen Sternenhimmel. Inzwischen sind wir schon über 6000km unterwegs. Danach radeln wir weiter in Richtung Tiflis, der Hauptstadt Georgiens.

Unterwegs Richtung Mestia
Mestia
Unterwegs Richtung Uschguli
Uschguli
Zagari-Pass
Es wird herbstlich
Unterwegs Richtung Parawani See
Parawani See