An den Hängen des Himalaya

Nachdem wir mehrere Wochen durch ländliche Gebiete radelten, sind wir nun in der Großstadt Pokhara angekommen. Hier hat man einen schönen Blick auf den See mit dem Himalaya im Hintergrund. Wir fühlen uns wohl und buchen für mehrere Tage ein schönes Hotelzimmer, um Weihnachten zu feiern. Außerdem bereiten wir uns auf unser nächstes Abenteuer vor: die Wanderung auf das Annapurna-Basecamp. Dieser Ausflug dauert acht Tage, man braucht eine gute Ausrüstung und ein Guide wird wärmstens empfohlen. Wir sparen uns den Guide, David kauft sich wasserdichte Schuhe und wir mieten uns Wanderrucksäcke und Stöcke. Unsere Räder und das restliche Gepäck lassen wir in unserem Hotel.

Die Wanderung startet so wie erwartet: Es geht bergauf. Schon am zweiten Tag gibt uns der Ausblick vom Poon Hill auf 3.200 Metern eine Vorstellung auf das, was noch kommt. Von hier sieht man mehrere Achttausender, es ist kalt und die Luft ist dünn. Teilweise gibt es spiegelglatte Stellen und während sich die meisten Europäer Steigeisen anlegen, ziehen die Einheimischen einfach Socken über ihre Turnschuhe. Dann geht es erst mal wieder runter. Wir laufen im T-Shirt durch Bambuswälder und genießen die Sonne – was für eine Vielseitigkeit. 

Ein paar Tage später wird es wieder ernst. Es geht nur noch bergauf und wird immer kälter. Am 31.12. laufen wir dann morgens zum Machapuchare Base Camp, wo wir unser Gepäck abstellen. Die Landschaft ist unglaublich. Wir sind bereits auf 3.700 m Höhe und trotzdem erstrecken sich die Berge um uns herum auf teilweise über 7.000 m in die Höhe. Als Mensch ist man hier ganz klein. Es scheint, als sei man hier nur ein geduldeter Gast, denn gemütlich ist es nicht. Die dünne Luft macht Probleme beim Schlafen und es ist eiskalt.

Am selben Tag laufen wir noch zum Annapurna Basecamp auf 4.130 m. Einfach nur atemberaubend. Wir stehen am Fuße des zehnt höchsten Berges der Welt. 

Nach einem Masala-Tee laufen wir wieder „runter“ zum Machapuchare Base Camp, wo wir Silvester feiern. Da es kein Holz gibt und wirklich alles mit Muskelkraft in die Hütten getragen werden muss, gibt es nur das Nötigste und eben auch keine Heizung. Deshalb sitzen wir zugedeckt und trotzdem frierend im Aufenthaltsraum. Nach dem Essen gönnen wir uns ein zurecht überteuertes Bier und gehen dann um 21 Uhr aufs Zimmer. In Winterjacke, Mütze, Schlafsack und unter zwei Decken schauen wir noch Dinner for One auf dem Handy und das war dann auch schon die Silvesterparty. Am nächsten Morgen ist es so kalt in unserem Zimmer, dass unser Trinkwasser in den Flaschen gefroren ist. Doch wir haben sehr viel Glück mit dem Wetter. Als wir in den darauffolgenden Tagen bergab laufen regnet es, aber auf der Höhe des Basecamps herrscht Schneechaos. Die Strecke musste gesperrt werden und viele Wanderer wurden mit dem Helikopter gerettet. 

Nach einigen Tagen erreichen wir wieder Pokhara, wo wir uns nochmal mehrere Tage Pause gönnen. Außerdem haben wir inzwischen unsere Heimflüge gebucht und planen unsere letzten zwei Wochen in Nepal.

Nachdem unsere Räder nun fast drei Wochen nicht mehr benutzt wurden, radeln wir dann weiter Richtung Kathmandu. Die Gegend um die nepalesische Hauptstadt ist ebenfalls sehr hügelig und verlangt nochmal alles von uns ab. Hier brechen wir auch unseren Tageshöhenrekord mit mehr als 1.900 m bergauf – und das mit unseren vollbepackten Rädern und überwiegend auf Schotterwegen. Zu Beginn unserer Reise war das noch unvorstellbar. Mit dem ständigen Ausblick auf die weiße Himalaya-Wand in der Ferne macht Radeln einfach Spaß.

Doch eine Radreise besteht nicht nur aus schönen Aussichtspunkten. Wir nähern uns immer mehr der Hauptstadt Nepals und die Infrastruktur sollte doch eigentlich besser werden. Allerdings sind die Straßen oft nicht mal geteert und wenn es regnet, versinkt man im Schlamm. Wir haben es nicht eilig, aber was ist mit den Menschen, die dort Leben? Gerade die Region um Kathmandu wurde schwer vom Erdbeben 2015 getroffen und hat sich noch lange nicht davon erholt. Während man als Tourist bedauert, dass zahlreiche antike Tempel einstürzten, sind bei den Erdbeben über 8.000 Menschen ums Leben gekommen und Unzählige verloren ihr Zuhause!

Wir werden nie unseren Aufstieg nach Nuwakot vergessen. Auch hier hat das Erdbeben einen großen Schaden angerichtet und die antike Tempelanlage wird seitdem von Stahlträgern gestützt und repariert. Touristen verirren sich wohl nur noch selten in den einmaligen Ort und als wir zwei Radler dort ankommen, sind die Menschen enorm dankbar und interessiert. Da merkt man, wie selten Touristen inzwischen diese beeindruckende Gegend mit den gastfreundlichen Bewohnern besuchen.

Der Tourismus ist eine sehr wichtige Branche für das Land. Nepal gehört zu den 20 (wirtschaftlich) ärmsten Ländern der Welt und ein durchschnittliches Jahresgehalt reicht noch lange nicht, um sich eines unserer Räder zu kaufen. Andererseits ist Nepal landschaftlich wohl einer der wertvollsten Flecken der Welt.

Nachdem unsere Tour nun über 10.000 km lang ist, kommen wir in Kathmandu an. Unsere Räder sind schwer von den schlammigen Straßen und steilen Abfahrten gezeichnet. Keine unserer Bremsen funktioniert noch richtig, sie brauchen dringend mal wieder eine Wartung. Da wir die Ersatzteile wohl nicht in Nepal finden werden, parken wir unsere Räder und mieten uns Mountainbikes, mit denen wir nochmal für einige Tage das Kathmandu Valley erkunden. Leider hat David das ansonsten sehr gesunde nepalesische Essen nicht vertragen und wir fahren nun nur noch auf Sparflamme. Trotzdem haben wir einmalige Aussichten auf weite Terrassenfelder und den Himalaya im Hintergrund. Wir sind immer noch fasziniert.

Zurück in Kathmandu kommen wir so langsam wieder im Arbeitsalltag an. Linda schreibt fleißig Bewerbungen und soll einen Einstellungstest an einem PC absolvieren. Es war gar nicht so leicht, ein Internet-Café mit stabiler Stromversorgung zu finden. Hoch konzentriert macht sie ihren Test an einem PC, umringt von nepalesischen Kindern, die Ballerspiele zocken.

Und dann ist der Tag doch gekommen. Nachdem wir sieben Wochen in Nepal verbrachten, treten wir nun so langsam die Heimreise an. Unsere Fahrräder sind in Kartons verstaut und werden mit einem alten USB-Kabel auf dem Dach des Taxis befestigt, das kaum größer ist als die Kartons. Wir fliegen Richtung Heimat – allerdings nicht direkt nach Hause, sondern erst mal nach Prag. Innerhalb von acht Stunden im Flugzeug fliegen wir die Strecke, die wir acht Monate lang geradelt sind.

Nepal war der Höhepunkt unserer Reise, aber es gibt auch viele Dinge, auf die wir uns freuen: Heizung im Schlafzimmer, trinkbares Leitungswasser, geteerte Straßen, Fahrschule für Autofahrer, stabiles Stromnetz, Straßenbeleuchtung…

Aber wir werden auch viele Dinge aus Nepal vermissen: das Nationalgericht Dal Bhat, unglaubliche Aussichten auf den Himalaya und die vielen warmherzigen Menschen.

Pokhara
Pokhara
Poon Hill
Wildlife
Es wird eisig
Silvester-Party
Aussicht von Bandipur
Auf dem Weg nach Kathmandu
Nuwakot
10.000 km
Dal Bhat
Tempel in Bhaktapur
Tempel in Kathmandu
Einstellungstest in einem nepalesischen Internet-Café
Beste Ladungssicherung